Sektion Ästhetik
2000/2001

Ralf Rother Ein noch zu junges Ding.
Das Ding bei Heidegger und die Folgen: Ronell, Miller, Derrida, Nancy, Hamacher
Dorothea Macheiner YVONNE. eine recherche
(erfahrungen zwischen eigenem und fremdem)
Leonhard Schmeiser Gegenwart / Traum
Präsentation

Tumult Schriften zur Verkehrswissenschaft 26:
Pierre Legendre - Historiker, Psychoanalytiker, Jurist

Walter Pamminger Armaturen der Zeichen. Benutzeroberflächen experimenteller CD-ROMs
Joseph Vogl Die sündige Stadt. Apokalypse der Medien
Walter Seitter Zugänge zum Barock bei französischen Philosophen:
Foucault, Lacan, Deleuze
August Ruhs Das Ding
Lucas Cejpek Der Held ist das Detail."Keine Namen. Roman"
Jennifer Rupp, Walter Pamminger, Andrea Edelmann, Gottfried Hinker, Hans Georg Nicklaus Medium Wein. Ein Symposion
Montag, 22. Oktober 2001: 19.00 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Jennifer Rupp: Woher kommt die Farbe des Weines?
Walter Pamminger: Instabilitäten der Wein-Erfahrung
Andrea Edelmann: Chemie des Weines
Gottfried Hinker: Warum trinken?
Hans Georg Nicklaus: Wein und Gesang
Montag, 5. November 2001: 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Der Held ist das Detail."Keine Namen. Roman"

Wie schreibt man ein Buch über nichts? Indem man einen Roman schreibt, das heißt auf Totalität der Darstellung zielt. Indem man ein Thema wählt, das zur Selbstreflexion der Form zwingt, ein aktuelles Thema mit historischer Dimension. Indem man den Realismus auf die Spitze treibt, bis die Genauigkeit halluzinatorisch wirkt. Indem man das Portrait eines Mannes zeichnet, der kein Gesicht hat, weil er ein Verräter ist. Indem man ständig Spannung aufbaut und auflöst und das Ende offen läßt. Indem man alles zum Gegenstand der Rede macht, indem man ein Gesprächsbuch fingiert, das man "Keine Namen" nennt.

Montag, 26. November 2001: 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Das Ding

Was wir Dinge nennen, sind Reste, die sich der Beurteilung entziehen. (S. Freud, 1895)

Die Sache ist das Wort des Dinges (J. Lacan, 1959)

In der Entwicklung seiner Lehre scheint Lacan die kreisförmige Entwicklungsgeschichte des Individuums zu reduplizieren: In seiner anfänglichen Beschäftigung mit dem Imaginären stellt er die Wurzeln der menschlichen Subjektwerdung dar und zeigt, wie durch buchstäbliche Einbildung sich ein primitives Ich konstituiert. Seine nachfolgende Arbeit am Symbolischen weist darauf hin, wie das Ich zur Sprache kommt und damit zu einem unverwechselbaren und einzigartigem Subjekt wird. Schließlich, in einem letzten Abschnitt, wendet sich Lacan dem Realen als jener Kategorie zu, welche nicht nur die letztlich unfassbare Welt jenseits der Repräsentanzen kennzeichnet, sondern sowohl Grenze als auch Schwelle des Lebens bedeutet. Diesem Medium ist das "Ding" korreliert, das auch schon in Freuds Theoriebildung an mehreren Stellen auftaucht. Die Lacansche Konzeption des "Dings" ist nicht einheitlich; es ist in Phänomenen der Ethik, wo es präziser herausgearbeitet worden ist, genauso am Werk wie in kulturellen und künstlerischen Schöpfungen ...

Montag, 10. Dezember 2001: 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Zugänge zum Barock bei französischen Philosophen:
Foucault, Lacan, Deleuze

Frankreich hat sich gegenüber der Stilbewegung des Barock "immer" distanziert verhalten: man wollte lieber klassisch sein. Erst im 20. Jahrhundert begannen französische Kultur- und Kunsthistoriker, die Eigentümlichkeiten dieses Stils zu sehen und zu würdigen. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts näherte sich Foucault indirekt der Welt des Barock, indem er die französische Klassik des 17. Jahrhunderts, die auch eine ordnungspolitische Strategie war, bloßstellte und ihre gewaltsamen Hintergründe aufdeckte. Lacan hat sowohl mit seiner frühen Bilderdramatikkonzeption wie auch mit seiner Optikkonzeption und überhaupt mit seinem Figuren-Denken einen eigenen "Barockismus" geschaffen und ausdrücklich für das Barock Partei ergriffen. Schließlich hat Deleuze mit seinem Buch über die Falte und über Leibniz die Grenzen einer enggesteckten "Immanenz" überschritten. Die drei Autoren haben einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, daß eine nationale Kultur (in diesem Fall die französische) über ihren Schatten springt.

Montag, 14. Jänner 2002: 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Die sündige Stadt. Apokalypse der Medien

Wo immer über Medien und Medienereignisse nachgedacht wurde, hat sich eine Spannung oder eine Unvereinbarkeit zwischen Gesetz und Übertragung, zwischen Urteilssystem und Übermittlungsgeschehen eingestellt. Schon die biblische Apokalypse, die Offenbarung des Johannes bietet in dieser Hinsicht eine medientheoretische Reflexionsfigur: mit der These nämlich, dass sich DAS Gesetz nur in der Vernichtung seiner Transmissionen behauptet, das himmlische Jerusalem nur im Untergang einer sündigen Verkehrswelt namens „Hure Babylon“. Bis heute ist damit der Topos einer Medienkritik formuliert, mit der sich Medienmacht stets als Apokalypse der Medien selbst setzt.

Montag, 18. März 2002: 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Armaturen der Zeichen. Benutzeroberflächen experimenteller CD-ROMs

Die Fülle und Komplexität digitaler Zeichen machte vielfältige Strategien ihres "Managements" notwendig. Die relevanten visuellen Formationen sind daher heutzutage die Bedienungs- und Anzeige-Elemente am Monitor, welche die Steuerung der Zeichenobjekte ermöglichen. Diese variablen "Armaturen" sind - mit einem hohen Maß an Ausdifferenzierung - auch Bestandteil von digitalen Publikationsmedien wie CD-ROM und DVD, die daher nicht als bloß passive Zeichenbehälter aufzufassen sind: Das "Design" des Zugriffs auf die Daten dominiert die Darstellungs- und Wissensformen in beträchtlicher Weise.

Um das Thema einzugrenzen und eine spezielle Ausformung zeitgenössischer Kultur vorzuführen, sollen Gebrauchsweisen dieser "Armaturen" anhand experimenteller, selbstpublizierter CD-ROMs und DVDs von Kommunikationsdesignern abgehandelt werden.

Montag, 8. April 2002: 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Präsentation

Tumult Schriften zur Verkehrswissenschaft 26:
Pierre Legendre - Historiker, Psychoanalytiker, Jurist

Der in Paris lehrende Rechtshistoriker Pierre Legendre arbeitet an einer theoretischen Problematik, die man der Philosophischen Anthropologie zuordnen kann, näherhin der Anthropologie des Politischen. Darin geht es um die Frage, ob man und wie man das Politische in der „Natur des Menschen“ begründet sehen kann. Legendre greift auf die psychoanalytische Theorie lacanscher Prägung zurück, um einige seines Erachtens unverzichtbare Strukturelemente des Menschseins - das Gesetz, das Dogma, die Institution - plausibel zu machen.

Legendre geht an diese Frage mit einer geballten Ladung an Kritik und Polemik heran, welche sich insonderheit gegen die in der abendländischen Moderne, im Dominantwerden der Medizin und der Ökonomie, sich steigernden Freisetzungen und Entgrenzunen des Psychischen und Somatischen richten. Seine Kritik am Abendland gipfelt in dem Vorwurf, es würde sich über alle Zivilisationen erheben wollen, indem es sich - angeregt durch Paulus von Tarsus - über das Gesetz überhaupt erheben wolle.

Montag, 13. Mai 2002: 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Gegenwart / Traum

Man hat sich (ich weiß nicht seit wann, aber jedenfalls kann man sich dabei auf Augustinus berufen) daran gewöhnt, Gegenwart theoretisch unter die Kategorie der Zeit fallen zu lassen, wodurch sie zu einem ziemlich vergeistigten, ephemeren Ding geworden ist. Demgegenüber könnte es angebracht sein, die doch recht handfeste, beinahe kriegerische Dimension wieder etwas mehr hervorzukehren, die sich auch etymologisch an diesem Ding nachweisen läßt: Gegenwart als dasjenige zu begreifen, worauf man sich in seiner Wachsamkeit, ausspähend, bezieht: als jenes Feld, innerhalb dessen etwas auftauchen kann, vor dem man sich hüten muß. So gefaßt, hätte man es nicht mit der nachdrücklichen Flüchtigkeit einer Grenze zwischen zwei anderen ebenfalls ephemeren Dingen zu tun, nämlich zwischen Vergangenheit und Zukunft, sondern mit dem Korrelat einer Verfaßtheit des einzelnen (Sich-Hüten), das begrifflich als Gegensatz zum Korrelat einer anderen solchen Verfaßtheit anzusetzen wäre, in der man sich vor nichts hütet (nicht hüten muß, weil man im Inneren dieser Verfaßtheit ohnedies alles übersteht, und nicht hüten kann, insofern man dort, wo in der Verfaßtheit des Sich-Hütens Gegenwart wäre, zur leichten Beute wird), nämlich zum Traum.
Montag, 3. Juni 2002: 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
YVONNE. eine recherche
(erfahrungen zwischen eigenem und fremdem)

von der südspitze sardiniens aus schaute ich über das meer bis an den horizont. dahinter lag - ein mir bislang unbekannter kontinent - AFRIKA. dies ist keineswegs der beginn einer reisegeschichte aus dem 19.jahrhundert. die begebenheit liegt nicht länger zurück als etwa 15 jahre. damals begann meine faszination für nord-afrika und die arabische kultur. ich las - in übersetzungen - literatur aus dem maghreb, fuhr wiederholt nach tunesien, lernte dort auch algerier kennen. die politik dieser länder vermischte sich mit den kulturellen interessen. im juni 1998 fand ich bei einem strand-spaziergang eine französische zeitung, die von der ermordung des kabylischen sängers LOUNÈS MATOUB durch die terrorgruppe GIA berichtete. meine recherche begann. ich erfuhr, daß die kabylen nicht nur algerier, sondern auch berber seien. daß es ihnen als den ureinwohnern nord-afrikas - seit der islamisierung - verboten war, ihre sprache, das tamazight, zu sprechen. ich wurde zurückgeführt nicht nur auf die spuren dieses volkes, sondern auch auf meine eigenen, die sich mit den ereignissen im alten palästina vermengten. eine reise nach jordanien, zuletzt nach syrien ließ mich orte aufsuchen, die inneren erfahrungen entsprechen....

Montag, 17. Juni 2002: 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Ein noch zu junges Ding.
Das Ding bei Heidegger und die Folgen: Ronell, Miller, Derrida, Nancy, Hamacher.

Was ist ein Ding? Heidegger erwähnt in seiner Vorlesung zur Frage nach dem Ding verschiedene Dinge: ein Stück Holz, einen Stein, ein Messer, eine Uhr, einen Ball, einen Speer, eine Schraube, einen Draht. Es gibt auch die „vielen Dinge, die es auf einer sommerlichen Wiese gibt: die Gräser und Kräuter, Schmetterlinge und Käfer“. Das Ding an der Wand, das Gemälde, nennt man auch ein Ding, wie die fertigen und unfertigen Dinger in der Werkstatt eines Bildhauers.

Die Frage nach dem Ding eröffnet bei Heidegger ein weites Feld von Problemen: die Differenz von Vorhandenen und Zuhandenen, seine Unterscheidung zwischen Ding und Dasein, der Ursprung des Ortes und des Werkes,